Nachwort

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Nachwort

- Wenn ich bisher noch nicht gewusst habe, was ein Kolportageroman ist - spätestens seit der Lektüre dieses Werkes ist mir das Ganze klar: Eine doch spannende Haupthandlung wird ständig mit neuen Nebenhandlungen, die oft noch nicht einmal mit der Haupthandlung zu tun haben, gestreckt. Um den Leser bei der Stange zu halten, wechseln die Schauplätze ständig - ohne meine Notizen hätte ich des öfteren den Faden verloren. So ist es auch leicht zu verstehen, dass dem Autor hin und wieder Fehler unterlaufen sind (in der Nacherzählung - soweit sie mir auffielen - mit "!" oder kursiv gekennzeichnet). Oder: Die Heilmann-Geschichte findet keinen Abschluss. Auch ist im 3. Kapitel der letzten Abteilung ein deutlicher Bruch in der Erzählung festzustellen: Man erwartet das Ende, die Auflösung der Geschehnisse. Doch stattdessen folgt eine neue Episode, die - über eine weitere Fälschung der Kette Roberts - mühsam mit der Haupthandlung verbunden wird.

- Für Forscher, die nach "unsittlichen" Passagen in May`s Münchmeyer-Romanen suchen, eröffnet sich hier ein weites Feld - ob sie für die damalige Zeit jedoch so unsittlich waren, dass man dem Schriftsteller daraus Schaden zufügen konnte, vermag ich nicht zu beurteilen. Tatsache ist, dass in dem Roman eine Vielzahl von nacktem Fleisch, nackten Damen - gezwungen und freiwillig -, Vergewaltigungsaufträgen und vergewaltigte sowie ins Bordell gezwungene Mädchen auftauchen. Ich hatte das Gefühl, dass der Autor, trotz der dezenten Umschreibung der Situationen, doch Spaß an der Darstellung hatte.

- Nach verschiedener Begleitliteratur zu May`s Werken weist der "Verlorene Sohn" sehr viele Bezugnahmen zum Leben des Autors auf. Selbst mir als Laien ist die Richtigkeit dieser Aussage aufgefallen. Es ist z.B. unschwer zu erkennen, dass der Roman in der sächsischen Heimat des Schriftstellers angesiedelt ist: Das arme Weberdorf z.B. ist mit May`s Heimatdorf Hohenstein-Ernstthal gleichzusetzen - hier gibt es den "Neumarkt", an dem May einige Zeit seiner Jugend verbracht hat, hier gibt es auch die "Rote Mühle".

Heilmann muss wegen Uhrendiebstahls, den er nicht begangen hat, wieder ins Gefängnis. Auch May war aus dem gleichen Grund für sechs Wochen in Haft und verlor so eine Stellung.

Heilmann hat Schwierigkeiten, wegen der ihm auferlegten Polizeiaufsicht nach seinem Gefängnisaufenthalt wieder Fuß zu fassen, genau wie Karl May bei seinem ersten Versuch, sich in Dresden niederzulassen. Man spürt förmlich, dass diese Episode - sie hat sonst keinerlei Bezug zu dem Gesamtroman - nur niedergeschrieben wurde, um die eigene Situation noch einmal richtigzustellen.

Sowohl die Mutter von Wilhelm Fels als auch der Graveur Herold erhalten durch die Kunst eines guten Arztes ihr Augenlicht zurück - Karl May war als Kind blind, konnte aber mit fünf Jahren von diesem Leiden geheilt werden.

Einem Kind des Musterzeichners Wilhelmi muss der Arzt mit einem Messerschnitt durch das von Blattern aufgequollene Gesicht helfen, damit es wieder atmen kann. Einer Schwester May`s diente dieser Schnitt dazu, dass sie etwas Milch zu sich nehmen konnte.

May`s Mutter stirbt im April 1885 - er hält die Leiche nach Aussage seiner späteren Frau Klara "bis zum anderen Morgen in den Armen, er wäre am liebsten mit ihr gestorben". Gleiches lässt er ca. vier Wochen später in seinem Roman Seidelmanns Schreiber Beyer tun: Dieser stirbt im Leichenhaus, seine tote Frau in den Armen.

Petermann gelangt mit der Aussage, ein Buch über "Die Liebe und ihre sozialen Beziehungen" schreiben zu wollen, in das Haus der Melitta. Beim Verlag Münchmeyer hat May vermutlich an dem "Buch der Liebe" mitgearbeitet, das die Liebe auch aus sozialen Gesichtspunkten betrachtet.

Diese kleine Aufzählung von Parallelen kann von Karl-May-Forschern bedeutend erweitert werden. Für mich ist sie ausreichend, die weiter oben wiedergegebene Aussage der Begleitliteratur zu bestätigen. (Quelle der biographischen Angaben: "Karl May - Leben, Werk, Wirkung", Verlagshaus Stuttgart GmbH.)                                 

Hubert Dörrenbächer  

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