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Die Geschichte des Saarlandes in den
letzten 200 Jahren
Das Saarland um 1835 Vor 170 Jahren gab es das Saarland noch nicht, weder als politische, noch als kulturelle oder wirtschaftliche Einheit. Die Regierungen saßen außerhalb und das Gebiet an der Grenze zu Frankreich war für sie "Provinz". F
Der größte Teil des heutigen Saarlandes gehörte zu Preußen, und zwar zu den
preußischen Rheinlanden, Regierungsbezirk Trier.
Zwischen diesen Gebieten gab es vor 1834 noch richtige Zollgrenzen. Erst danach verschwanden die Schlagbäume, die Zöllner und die Kontrollen zwischen Bayern und Preußen. Und erst ab 1851 passierten die Menschen die Grenze zu Oldenburg - zu Fuß, zu Pferd oder in der Kutsche. Nun konnte sich auch die Wirtschaft entfalten, vor allem die Kohlegruben, die Eisenwerke und die Glashütten. Sie waren bis zu jenem Zeitpunkt noch relativ unbedeutend. Die meisten Menschen lebten damals immer noch von der Landwirtschaft. Aber das sollte sich bald ändern!
Der wirtschaftliche Aufschwung um 1850 Die Saargruben setzten die neueste Erfindung der damaligen Zeit ein: die Dampfmaschine. Der Schachtbau löste den veralteten Stollenbau ab und der Bedarf an Arbeitskräften stieg - trotz dieser Innovationen. Denn durch den Wegfall der Zollschranken zwischen Bayern und Preußen öffnete sich für die Saargruben ein neuer und wichtiger Absatzmarkt: Süddeutschland. Auch die Saarhütten arbeiteten mit der Dampfmaschine. Dadurch wurden sie unabhängig von der Wasserkraft und konnten ihre Standorte frei wählen. Da die einheimischen Erzgruben versiegten, bezogen sie von nun an ihren wichtigen Rohstoff von der Lahn. Statt Holzkohle benutzten sie Koks, hergestellt aus der Saarkohle. Die technischen Voraussetzungen waren jetzt also gut, die Verkehrsinfrastruktur jedoch schlecht. Eine Lösung dieses Problems schaffte erst die "Dampfmaschine auf Rädern", die Eisenbahn. F
1849 war die pfälzische Ludwigsbahn bis
zur bayerischen Grenze bei Bexbach vollendet Nahe der Eisenbahnstrecke entstanden neuen Gruben und Glashütten mit direktem Eisenbahnanschluss. Auch die 1856 gegründete Burbacher Hütte konnte nicht nur die Saar, sondern auch die Eisenbahn für ihre Transporte benutzen. Und als zehn Jahre später die Saar kanalisiert war, hatte das Saar-Revier sogar einen Anschluss an das französische Kanalnetz.
Wandel in der Bevölkerungsstruktur (um 1850-1870) Mit der Industrialisierung setzte eine wahre Völkerwanderung ein. Verarmte Bauern und Handwerker zogen in das Industrierevier, andere behielten ihren Wohnsitz in den ländlichen Gebieten des heutigen Nordsaarlandes, des Hunsrücks oder der Westpfalz. Sie lebten die Woche über als Einlieger bei Familien oder in den Schlafhäusern der Gruben. Nicht wenige zogen am frühen Montagmorgen über die Bergmannspfade zur Grube (1875 mehr als ein Drittel, 1910 immer noch mehr als ein Fünftel). Zehn, zwanzig, ja sogar dreißig Kilometer und mehr, gingen sie zu ihrem Arbeitsplatz. Die Einwohner des Industriereviers verspotteten sie wegen ihres groben Schuhwerks und wegen der lange Wege als "Hartfüßer". Nahe den Gruben entstanden Bergmannskolonien, z. B. in Altenkessel, Altenwald, Bildstock, Elversberg, Göttelborn, Heiligenwald, Heinitz, Herrensohr und Jägersfreude. Die Grubenverwaltung ließ seit Ende des 19. Jahrhunderts eigene Miethauskolonien errichten und vergab Prämien für den Bau von Prämienhäusern - bis zum 1. Weltkrieg knapp 8000! Viele Bergleute betrieben nebenher noch eine kleine Landwirtschaft. Sie wurden Bergmannsbauern, bewirtschafteten mit ihren Familien im Nebenerwerb Felder und Gärten. Sie hielten sich das eine oder anderen Nutztier - und wenn es nur eine Ziege war, eine "Bergmannskuh"!
Der deutsch-französische Krieg von 1870/71 Im Deutschen Krieg von 1866 hatte Preußen Österreich besiegt. Preußen übernahm die Führung des Norddeutschen Bundes. Frankreich sah daraufhin seinen Einfluss schwinden und war entschlossen, jede weitere Ausdehnung preußischer Macht zu verhindern, insbesondere in Süddeutschland. Ein diplomatischer Zwischenfall (die berühmt-berüchtigte "Emser Depesche") genügte, um das Pulverfass zu zünden. F 19.
Juli 1870 F 2.
August 1870 F 4.
August 1870 F 5.
August 1870 F 6.
August 1870 Der weitere Verlauf dieser Auseinandersetzung, an dessen Ende schließlich, nach gewonnenem Krieg, die Errichtung des zweiten Deutschen Kaiserreiches (Krönung Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles) steht, hat keinen Bezug zum Saarland mehr. Deshalb will ich hier nicht näher darauf eingehen.
Der saarländische Wirtschaftsraum zur Kaiserzeit In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnten die Saargruben ihre Produktion vervielfachen, jedoch nicht so stark wie an der Ruhr. Wichtigster Abnehmer waren nach wie vor die Saarhütten. Wegen der weniger guten Koks-Qualität der Saarkohle erwarben diese auch Bergwerke an der Ruhr und im Aachener Revier. Von dort kam immer ein bedeutender Teil des Kokses. Gleichzeitig orientierten sich die Saarhütten nach Westen. Der Saar-Lor-Lux-Raum bekam in dieser Zeit Konturen. Die Saarhütten erwarben im luxemburgisch-lothringischen Grenzgebiet und in Westlothringen eigene Erzfelder, von denen sie Minette-Erze bezogen. erleichtert wurde dies durch die Annexion Elsass-Lothringens 1871. Die phosphorhaltige Minette war jedoch erst durch das 1879 erfundene Thomas-Verfahren in größerem Umfang nutzbar. In den beiden letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts errichteten die Saarhütten in Westlothringen und Luxemburg auch eigene Hütten. Von ihnen bezogen sie den größten Teil des Roheisens. Größter Arbeitgeber an der Saar war - als Eigner der Kohlengruben - der preußische Staat. Preußen war damit nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich bestimmend und setzte diese Macht auch bewusst ein. Selbst in schlechten Jahren führte die Grubenverwaltung beträchtliche Überschüsse an die Staatskasse ab. Möglich war dies unter anderem auch durch die Niedrigstlöhne, die sie bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts zahlte. Dabei "rechnete" die Grubenverwaltung mit der weitgehenden Selbstversorgung der Saarbergleute (Stichwort: Bergmannsbauern) und deren Familien und mit den Leistungen des betrieblichen Sozialwesens.
Die Arbeitnehmerbewegung an der Saar Erst nach dem Krieg 1870/71 gab es im Saarrevier Anfänge einer Arbeiterbewegung. Behörden und Unternehmer reagierten sofort und gründeten ein "Komitee der Arbeitgeber zur Bekämpfung der Sozialdemokratie". Am 6. Juli 1877 beschloss dieses Komitee das sogenannte "Sozialistengesetz der Saarindustrie". Es richtete sich auch gegen alle gewerkschaftlichen Regungen. F Mai
1889 F Ende
Juli 1889 F Warken kandidiert 1890 für den Reichstag F Bergleute bauen in Bildstock den Rechtschutzsaal (der übrigens dieser Tage - im Jahr 2000 - wieder renoviert und in Gebrauch genommen wurde!) F Eine eigene Zeitschrift ("Schlägel und Eisen") erscheint In der Folge wird der Verein dann geschwächt. die Ursachen hierfür sind: F Angriffe wegen angeblicher bzw. tatsächlicher Annäherung an die SPD (Man bedenke den zeitlichen Zusammenhang zu Bismarck und seinen Sozialistengesetzen!) F Unerfahrenheit in der Führung F Die katholische Geistlichkeit wendet sich ab (Sozialistenangst!?!) Die Streiks im Mai 1891 und an der Jahreswende 1892/93 schlagen fehl. Die Bewegung bricht zusammen. Erst nach Stumms Tod (1901) kommt es wieder zu gewerkschaftlichen Zusammenschlüssen. Die seit der Jahrhundertmitte bestehenden katholischen Arbeitervereine betätigen sich gewerkschaftlich. Konkurrenten werden die interkonfessionellen christlichen Gewerkschaften, etwa der "Gewerkverein christlicher Bergleute" und die SPD-nahen "Freien Gewerkschaften". Diese jedoch bleiben bis zum Ersten Weltkrieg ohne großen Einfluss.
Die Parteienlandschaft bis zum Ersten Weltkrieg Die Pariser Julirevolution 1830 aktivierte auch an der Saar das politische Leben. Doch erst in der Revolution von 1848 nahmen alle Schichten der Bevölkerung an ihm teil. In Saarbrücken, Merzig und St. Wendel entstanden demokratische Bürgervereine. Beherrschende politische Kraft bis zum Ersten Weltkrieg waren im engeren Industrierevier - dem Wahlkreis Saarbrücken - die Liberalen, zunächst als Fortschrittspartei, ab 1867 als Nationalliberale. Im weiteren Bereich mit seinen überwiegend ländlich-katholischen Gebieten hatte jedoch das Zentrum ein starkes Übergewicht. Es beherrschte den Wahlkreis Saarburg-Merzig-Saarlouis unangefochten. Im Wahlkreis Ottweiler-St. Wendel-Meisenheim stand es in Konkurrenz zu den Freikonservativen unter Führung Stumms. 1903 stellte das Zentrum hier erstmals den Reichstagsabgeordneten. Im pfälzischen Bezirksamt Homburg führten die Nationalliberalen vor dem Zentrum. Zur starken politischen Kraft wuchs hier der Bund der Landwirte heran. Die Sozialdemokraten blieben bis zum
Ersten Weltkrieg fast ohne Einfluss. Dies stand in krassem Gegensatz zur
Entwicklung im Reich insgesamt.
Die Saarregion im Ersten Weltkrieg Die Saargegend war während des gesamten Ersten Weltkrieges Durchmarschregion und Etappe. Überall entstanden Lazarette. Gleich zu Kriegsbeginn kam der zivile Eisenbahnverkehr zum Erliegen und blieb währen des gesamten Krieges stark eingeschränkt. Eine der Folgen: Wegen des Koks- und Erzmangels stellten die Hütten vorübergehend ihren Betrieb ein. Die Steinkohleförderung ging stark zurück. Viele Männer waren eingezogen - mehr als im übrigen Deutschland. Man versuchte, sie durch ältere und jugendliche Arbeiter zu ersetzen. In vorher nie gekanntem Ausmaß mussten auch Frauen Schwerarbeit verrichten. Außerdem Tausende von russischen Kriegsgefangenen. Seit dem Sommer 1915 war das gesamte Industrierevier Ziel von Luftangriffen. Die Zahl der Opfer und die Schäden blieben zwar gering, der Krieg zeigte aber ein völlig neues Gesicht. Die Versorgungslage verschlechterte sich ständig. Bereits im August 1914 setzte man erste Höchstpreise fest. Im Frühjahr 1915 wurde zuerst das Brot rationiert, danach weitere Nahrungsmittel. Der Winter 1916/17 war für die Bevölkerung ein wahrer Hungerwinter. Die "Heimatfront" bewies ihre Opfer- und Spendenbereitschaft. Die Schuljugend war ständig zum Sammeln aufgerufen, etwa von Bucheckern oder von Brennnesseln. Nach dem Waffenstillstand am 11. November 1918 folgten französische Truppen den zurückströmenden deutschen Soldaten auf dem Fuße und besetzten die Saargegend. Sie beendeten sofort die Tätigkeit der Arbeiter- und Soldatenräte.
Das Saargebiet unter der Herrschaft des Völkerbundes In der Besatzungszeit zeigte sich immer wieder das gespannte Verhältnis zwischen französischem Militär und der Bevölkerung. So kam es im Frühjahr und im Herbst 1919 zu Streiks. Am 10.1.1920 trat der Versailler Vertrag in Kraft. Die in ihm enthaltenen Saarregelungen waren ein Kompromiss zwischen den Annexionswünschen Frankreichs und dem von Wilson propagierten Selbstbestimmungsrecht der Völker. F Eine Regierungskommission des Völkerbundes übernimmt die Verwaltung des preußisch-bayrischen Industriereviers an der Saar einschließlich der Arbeiterwohngebiete. F Nach 15 Jahren entscheidet die Bevölkerung über die weitere Zugehörigkeit des Gebietes. F Als Reparationsleistung wird Frankreich das Eigentum an den Saargruben zugesprochen.
Die fünfköpfige internationale Regierungskommission nahm am 26.2.1920 ihre Arbeit auf. Bis 1926 war ihr Vorsitzender der Franzose Rault. Über ihn bestimmte Frankreich die Politik an der Saar. Das Verhältnis zwischen Regierung und Bevölkerung blieb gespannt. Eine echte parlamentarische Vertretung fehlte. Der 1922 errichtete Landesrat hatte nur beratende Funktion. Er wurde jedoch zu einem Plenum saarländischer Interessen. Als Eigentümer der Saargruben war Frankreich mächtigster Arbeitgeber an der Saar. Daraus ergaben sich vielfältige Möglichkeiten wirtschaftlichen und kulturellen Einflusses: F Einführung des Franken am 1.6.1923 als allgemeines Zahlungsmittel F Die "Mines domaniales" richteten für Kinder ihres Personals eigene Volksschulen ein (Domanialschulen), in denen auch die französische Sprache gelehrt wurde. Wichtige Manifestationen der nationalen Zugehörigkeit durch die Saar-Bevölkerung waren: F Der "Hundert-Tage-Streik" der Bergleute 1923 F Die "Rheinische Jahrtausendfeier" 1925, die vor allem von den Vereinen organisiert und durchgeführt wurde.
Der Abstimmungskampf 1934/35 Bis zum Machtantritt Hitlers waren sich fast alle Saarländer einig: in der vom Versailler Vertrag vorgesehenen Abstimmung wollte man für die Rückkehr zum "angestammten Vaterland" stimmen. Erst die Machtergreifung der Nationalsozialisten brach diese gemeinsame Haltung auf. Auf der einen Seite gab es die erklärten Antifaschisten. Sie wollten den gegenwärtigen Zustand, den "Status Quo", beibehalten bis zum Sturz des NS-Regimes im Reich. Erst dann sollte über die Zugehörigkeit des Saargebietes entschieden werden. Um dieses Ziel durchzusetzen, formierten sich im Sommer 1934 Sozialdemokraten und Kommunist4en in der "Einheitsfront". Auch Katholiken unter Johannes Hoffmann schlossen sich an. Alle Gruppen hofften, Hitler an der Saar schlagen zu können. Auf der anderen Seite standen diejenigen, die weiter die Rückkehr befürworteten. Die einen taten dies trotz Hitler. Sie wurden bestärkt durch die Kirchen, die Vaterlandsliebe als sittliche Pflicht bezeichneten. Die anderen taten es wegen Hitler. Viele waren dabei, die beim "Aufbruch des neuen Deutschland" nicht abseits stehen wollten. Als scheinbar überparteiliche Massenbewegung für die Rückgliederung steuerten die Nazis die "Deutsche Front". Mit massiven Propagandamitteln und mit Meinungsterror wurden die Saarländer auf die Idee der Volksgemeinschaft eingeschworen. Wer außerhalb stand, galt als Verräter. Die Abstimmung am 13. Januar 1935 wurde durch eine Abstimmungskommission des Völkerbundes und unter dem Schutz einer internationalen Truppe durchgeführt. 90,7 % der Saarländer entschieden sich für die Rückgliederung. Hitler hatte seinen ersten großen außenpolitischen Erfolg errungen. Das "Dritte Reich" übernahm am 1. März 1935 die Regierungsgewalt an der Saar. Schon unmittelbar nach Bekanntwerden des Ergebnisses waren viele Anhänger der Status-Quo-Bewegung in die Emigration gegangen.
Die Saar im Dritten Reich Die in Versailles geschaffene politische Einheit "Saargebiet" wurde nach der Rückgliederung nicht wieder aufgelöst. Die Nationalsozialisten unterstellten das neue "Saarland" dem pfälzischen Gauleiter Josef Bürckel. Als "Reichskommissar für die Rückgliederung des Saarlandes" (ab Juni 1936: "Reichskommissar für das Saarland") brachte er viele Pfälzer mit an die Saar. Nach dem 13. Januar 1935 emigrierten rund 8000 Saarländer. Viele gerieten später in die Fänge der Nazis, vor allem nach der Besetzung Frankreichs. Saarländer kämpften in Spanien für die Republik und organisierten von Forbach aus den Widerstand an der Saar, vor allem Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Kommunisten. Auch auf christlicher Seite gab es Widerstand gegen den Nationalsozialismus - vor allem gegen die Entfernung der Kruzifixe aus den Schulsälen und die Abschaffung der Bekenntnisschule. Als nach der Rückgliederung die Löhne sanken und die Preise und Steuern stiegen, kam es zu Widerstandsaktionen in Betrieben und Anfang 1937 zum offenen Zusammenstoß zwischen saarländischen Grenzgängern und dem nationalsozialistischen Staat. Tausende von Saarländern gerieten in die Gewalt der GESTAPO. Hunderte kamen in Konzentrationslager. Viele kamen nicht mehr zurück. Im Februar 1937 wurden die ersten Todesurteile gegen saarländische Antifaschisten vollstreckt. Die planmäßige Verfolgung der Juden setzte an der Saar später ein, als im übrigen Reichsgebiet. Viele konnten wegen internationaler Garantien noch bis Anfang 1936 auswandern. In der "Reichskristallnacht" vom 9. und 10. November 1938 steckten Nationalsozialisten auch an der Saar Synagogen in Brand, verschleppten Juden in Konzentrationslager und plünderten ihre Häuser.
Der Zweite Weltkrieg an der Saar In den ersten Kriegstagen Anfang September 1939 musste die Zivilbevölkerung die "Rote Zone" , den Streifen zwischen französischer Grenze und Hauptkampflinie des Westwalls, räumen. Hunderttausende wurden in Sammeltransporten in mitteldeutsche "Bergungsgebiete" gebracht. Sie konnten erst nach Beendigung des Frankreichfeldzuges im Sommer 1940 zurückkehren. Vor allem die Dörfer an der unteren Saar und im Bliesgau waren schwer zerstört. Hier war es den französischen Truppen gelungen, für einige Wochen auf Reichsgebiet vorzudringen. Im Rahmen der gelenkten Wiederbesiedlung der "Roten Zone" wurden Juden in Lager in den französischen Pyrenäen verschleppt. Im Saarland waren die letzten Juden am 22. Oktober 1940 betroffen. Von diesen 134 jüdischen Mitbürgern kamen später 65 nach Auschwitz. Kranke der Anstalten Merzig und Homburg wurden in hessische Tötungsanstalten verschleppt. 1943 errichtete die GESTAPO das KZ "Neue Bremm" für Kriegsgefangene, Lothringer und Reichsdeutsche, vor allem aber für Zwangsarbeiter aus Osteuropa. Viele wurden von Saarbrücken aus in die berüchtigten Vernichtungslager transportiert. Die übrige Bevölkerung litt ebenfalls unter den Schrecken des Krieges. Die "Gauhauptstadt Saarbrücken" erlebte am 30. Juli 1942 den ersten verheerenden Luftangriff. Ein weiterer folgte am 5. Oktober 1944. Zu dieser Zeit war die amerikanische Armee bereits von Lothringen her im Vormarsch, wurde aber bis März 1945 an der mittleren Saar und am "Orscholz-Riegel" aufgehalten. Bei diesen Kämpfen erlitt vor allem Saarlouis schwere Zerstörungen. Nach dem Durchbruch im Hunsrück eroberten amerikanische Truppen das Gebiet des Saarlandes von Süden und Norden her in einer Zangenbewegung innerhalb weniger Tage. Im engeren Industrierevier zwischen Saarbrücken und Neunkirchen schwiegen ab 21.März 1945 die Waffen.
Besatzungszeit und "Saarstaat" Nach Kriegsende schufen die Amerikaner mit dem Regierungspräsidium eine Zivilverwaltung. Als am 10. Juli 1945 französische Truppen die amerikanischen ablösten, zeigte sich sehr bald, dass Frankreich das Industrierevier - wie nach dem Ersten Weltkrieg - stärker an sich binden wollte. Angesichts des Widerstandes der Alliierten gab Frankreich den Gedanken an eine Annexion des Saarlandes wieder auf - zugunsten einer Wirtschaftsunion und einer begrenzten Autonomie. Diese Konzept vertrat die französische Regierung seit Februar 1946 gegenüber den Alliierten. Sie arbeitete im Saarland konsequent an seiner Verwirklichung. Frankreich unterzeichnete nicht das Potsdamer Abkommen, da darin keine Grenzänderungen im Westen Deutschlands vorgesehen waren. Noch im Juli 1945 wurde das Regierungspräsidium aus den Bezirk des übergeordneten Oberpräsidiums Mittelrhein-Saar in Neustadt an der Weinstraße gelöst und am 8. Oktober 1946 eine Verwaltungskommission gebildet. Sie trat an die Stelle des Regierungspräsidiums. Grundlage für deren Zusammensetzung waren die Ergebnisse der Kommunalwahl vom 15. September 1946. Am 22. Dezember 1946 schloss Frankreich die Grenze des Saarlandes zum übrigen Deutschland und trieb damit die Entwicklung in französischem Sinne voran. Die materielle Not der Bevölkerung linderte sich erst nach der politischen Neuordnung Ende 1947:
Die Verfassung schrieb in der Präambel den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich und die Trennung von Deutschland vor. Die französische Nachkriegspolitik hat der saarländischen Bevölkerung hier kaum Wahlmöglichkeiten gelassen. Dennoch wurde der saarländische Sonderweg offensichtlich von einer breiten Mehrheit gutgeheißen. Vor allem die negativen Erfahrungen mit preußischer Herrschaft und dem (Dritten)"Reich" hatten den Willen zu regionalen Selbstbestimmung gestärkt. Bei den führenden Vertretern der Christlichen Volkspartei und der Sozialdemokratischen Partei kam die Erfahrung der Emigration hinzu. Das Verhältnis zu Frankreich wurde 1950 und 1953 durch eine Reihe von Wirtschaftskonventionen detailliert geregelt.
Saarstatut und Volksabstimmung 1955 Die Saarfrage störte seit 1950 die westeuropäische und atlantische Integration, denn sie verhinderte eine deutsch-französische Verständigung. Eine Lösung schien in der Europäisierung des Saarlandes zu liegen - ein Vorschlag des französischen Außenministers Schumann aus dem Jahre 1952. Nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft stellte Frankreich Bedingungen: Erst sollte die Saarfrage gelöst sein. Dann könne Frankreich der Beendigung des Besatzungsregimes und dem Beitritt der Bundesrepublik zum Brüsseler Paktsystem zustimmen. Eine Einigung kam am 23.10.1954 zustande. Die Saar sollte im Rahmen der Westeuropäischen Union bis zu einem Friedensvertrag einen europäischen Status erhalten - überwacht von einem Kommissar der WEU. Die Bevölkerung sollte in einer Volksabstimmung zu diesem "Saarstatut" Stellung nehmen. Im Saarland hatte sich bereits seit 1950 eine Opposition gegen die enge wirtschaftliche Bindung an Frankreich und gegen die Entnationalisierung der Bevölkerung gebildet. Politisch wurde sie vor allem von folgenden Parteien getragen: F Demokratische Partei Saar (DPS) F Christlich Demokratische Union (CDU) F Deutsche Sozialdemokratische Partei (DSP) Erst drei Monate vor der Volksabstimmung konnten sich diese Parteien legal betätigen. Sie sagten "Nein" zum Saarstatut und schlossen sich im "Deutschen Heimatbund" zusammen. Auf der Seite der "Ja" - Sager standen die F Christliche Volkspartei (CVP) F Sozialdemokratische Partei Saar (SPS) Die Kommunistische Partei (KPD), Landesverband Saar, lehnte die gesamten Pariser Verträge und somit auch das Saarstatut ab. Der Abstimmungskampf verlief sehr leidenschaftlich. Es kam zu nationalistischen Überspitzungen, vor allem auf Seiten der DPS.
Plakatwand im Abstimmungskampf
Bei der von der WEU-Kommission überwachten Abstimmung vom 23. Oktober 1955 entschieden sich 67,7 % gegen das Saarstatut. Unter dem Eindruck der Niederlage trat die Regierung Hoffmann (CVP) zurück. Am 29. Oktober 1955 übernahm ein Übergangskabinett unter Heinrich Welsch (parteilos) die Regierungsgeschäfte. Bei den Landtagswahlen vom 18 Dezember 1955 erhielten die Heimatbundparteien die Mehrheit.
Die Rückgliederung 1957/1959 Für den Fall der Ablehnung des Saarstatutes enthielt der deutsch-französische Vertrag von 1954 keine Regelungen. Die demokratischen Parteien des Saarlandes drängten auf die politische und wirtschaftliche Eingliederung in die Bundesrepublik Deutschland. Frankreich akzeptierte dies als politische Konsequenz der Abstimmung, versuchte aber wirtschaftliche Garantien und Kompensationen zu erreichen. Im Frühjahr 1956 begannen schwierige Verhandlungen, die mit den Luxemburger Verträgen vom 27. Oktober 1956 abgeschlossen wurden. Frankreich stimmte der Rückgliederung des Saarlandes zum 1.1.1957 zu - gegen wirtschaftliche Zugeständnisse (Schiffbarmachung der Mosel, Verpachtung von Warndt-Kohle). Die Währungs- und Wirtschaftsunion mit Frankreich sollte noch bis spätestens Ende 1959 bestehen bleiben. Dabei gab es noch zwei Sonderregelungen: F für die Einfuhr aus der Bundesrepublik (bis 1959) F für den Warenverkehr nach Frankreich (nach 1959) Der saarländische Landtag erklärte am 14. Dezember 1957 den vom Grundgesetz geforderten förmlichen Beitritt zu dessen Geltungsbereich. Die DPS enthielt sich der Stimme, weil ihrer Ansicht nach die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Eingliederung noch nicht befriedigend geklärt waren.
Das Saarland wurde am 1. Januar 1957 Land der Bundesrepublik Deutschland. Die Zeit bis zur wirtschaftlichen Rückgliederung war beherrscht von der Sorge um die Wahrung des sozialen Besitzstandes und von Problemen mit der Umorientierung auf den deutschen Markt und die D-Mark. Die Saarwirtschaft war zunächst kaum wettbewerbsfähig. Der Bund musste ihr erhebliche finanzielle Unterstützung gewähren. Der wirtschaftliche Anschluss erfolge am "Tag X", dem 6. Juli 1959. Eine umfangreiche Gesetzgebung auf allen Gebieten beendete in den folgenden Jahren auch die Sonderentwicklung auf dem Gebiet des Rechts. Die durch den Abstimmungskampf aufgebrochenen parteipolitischen Gegensätze wurden nur langsam abgebaut. F Die SPS ging bereits im Frühjahr 1956 in der SPD auf F Die Vereinigung von CVP und CDU erfolgte 1959 nur teilweise F Die DPS assoziierte sich mit der FDP, behielt aber noch lange ihre organisatorische Unabhängigkeit.
Wie es danach weiterging, kann nun wieder
auf der Haupt - Saarland - Seite nachgelesen werden.
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