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Die "Münchmeyer-Romane" Karl May´s

 

In der Zeit von Oktober 1882 bis September 1888 schrieb Karl May für den Verleger H. G. Münchmeyer, Dresden bzw. Dresden-Niedersedlitz fünf Romane, die später Anlass für eine ganze Reihe von Rechtsstreitigkeiten geben sollten.

Mit dem Verlag Münchmeyer war er schon früher in Kontakt gekommen: 1875 - kurz nach seiner Entlassung aus dem Waldheimer Zuchthaus - fand er dort Anstellung als Redakteur.

Daneben verfasste er aber auch Erzählungen für die in diesem Verlag erscheinende Zeitschrift "Deutsches Familienblatt": "Inn-nu-woh, der Indianerhäuptling", "Old Firehand", "Ein Stücklein vom alten Dessauer" u.a.m.

Münchmeyer, der wohl schon sehr zeitig erkannte, welches "literarische Juwel" er sich da an Land gezogen hatte, wollte ihn fester an sich und damit den Verlag binden; die von ihm betriebene eheliche Verbindung zwischen seiner Schwägerin sowie seinem Angestellten May stieß bei diesem jedoch auf wenig Gegenliebe: 1877 verlässt Karl May den Verlag.

Als freier Schriftsteller schreibt er nun für mehrere Verlage: Kurzgeschichten, Fortsetzungsromane für diverse Zeitschriften, aber auch erste Bücher - wie z.B. "Im Fernen Westen", Verlag Franz Neugebauer, Stuttgart. Sein Bekanntheitsgrad steigt.

Münchmeyer, dessen Verlag vor dem Ruin steht, versucht, den Schriftsteller wieder für sich zu gewinnen. Unterstützung bei diesem Unterfangen findet er in May´s Ehefrau Emma. Wohl auf deren Betreiben hin lässt sich Karl May schließlich umstimmen:

Er schreibt für Münchmeyer fünf Romane, vier davon in Kolportageform, d.h. die Romane erscheinen in 24seitigen "Groschenheften", die wöchentlich von sog. "Kolporteuren" an Haustüren u.ä. feilgeboten werden. Da solche Romane in der Regel eine Lieferung von mindestens 100 Heften vorsehen, ergibt es sich von selbst, dass Zeilen geschunden werden, dass zur Haupthandlung immer mehr Nebenhandlungen, die vielfach in keinem Zusammenhang zueinanderstehen, kommen, dass Handlungen aufgegriffen und wieder fallengelassen werden: kurz, Kolportage ist nicht unbedingt die Schreibform, die einen ehrgeizigen Schriftsteller zufrieden stellt. Deshalb erscheinen diese Erzählungen auch unter Pseudonym:

Ø      Okt. 82 - Aug. 84: Waldröschen oder Die Rächerjagd rund um die Erde
Großer Enthüllungsroman über die Geheimnisse der menschlichen Gesellschaft
von Capitain Ramon Diaz de la Escosura
109 Hefte, 2612 Seiten

Ø      Aug. 84 - Juli 86: Der verlorene Sohn oder Der Fürst des Elends
vom Verfasser des "Waldröschens"
101 Hefte, 2411 Seiten

Ø      Dez. 85 - Jan. 88: Deutsche Herzen, Deutsche Helden
vom Verfasser des "Waldröschens" und "Der Fürst des Elends"
1
09 Hefte, 2610 Seiten

Ø      Juli 86 - Sept. 88: Der Weg zum Glück
Roman aus dem Leben Ludwigs des Zweiten
vom Verfasser des "Waldröschens" (
andere Literatur nennt hier Karl May als Verfasser)
109 Hefte, 2616 Seiten

                  

Lediglich ein Roman erscheint unter May´s eigenem Namen als Fortsetzungsgeschichte in Münchmeyer´s Wochenzeitschrift "Deutscher Wanderer":

Ø      Sept. 83 - Dez. 85: Die Liebe des Ulanen
Original-Roman aus der Zeit des deutsch-französischen Krieges
von Karl May
erschienen in 108 Heften auf 1724 Seiten

Neben dieser Fülle von Arbeit schreibt May aber auch weiterhin für andere Verlage:

v     1880
Die Todeskarawane
In Damaskus und Baalbeck
Im Wilden Westen Nordamerikas

v     1883
Pandur und Grenadier
Stambul

v     1884/85
Der letzte Ritt
        

v     1886
Unter der Windhose

v     1887
Der Sohn des Bärenjägers

v     1888
Durch das Land der Skipetaren
Der Geist des Llano Estakata
Der Scout 
Kong-Kheou, das Ehrenwort
u.a.

Die "Münchmeyer-Romane" erscheinen ab 1901 - May ist auf dem Höhepunkt seines Ruhmes - plötzlich unter seinem Namen: Münchmeyer, nach dessen Tod der Verlagsnachfolger Fischer wollen auch am Erfolg teilhaben. Eine Erlaubnis von Karl May hierzu liegt jedoch nicht vor. Dieses sowie nicht aus der Feder May´s stammende, z.T. "unsittliche" Ergänzungen sind der Grundstein für jahrelange Rechtsstreitigkeiten, sogar bis über den Tod des Schriftstellers hinaus.

Rolf Harder: "Karl May und seine Münchmeyer-Romane"        

Anhand von Sprachbeispielen, Wortvergleichen, aber auch Vergleichen zu anderen Schriften May´s, die zur gleichen Zeit erschienen sind, versucht R. Harder zu beweisen, dass die Münchmeyer-Romane doch komplett - incl. der "unsittlichen" Passagen - aus der Feder von Karl May stammen.

Diese Passagen (Ergänzungen?) sind der Aufhänger für etliche nachfolgende Rechtsstreitigkeiten.

Der Streit bezieht sich auf Urheberrechte, entgangene Gewinne, Wahrung des guten Rufes (weshalb May die "unsittlichen" Passagen auch wegzuleugnen versucht) usw., nie aber auf den Inhalt der "Ergänzungen". Vermutlich wusste May selbst niemals genau, um welche Passagen es eigentlich ging: Ihr Inhalt wurde hochgespielt, ohne - selbst für damalige Zeit - unsittlich zu sein. May konnte aus Zeitmangel seine eigene Literatur nie kontroll-lesen, Hinzufügungen konnten ihm selbst also auch nie auffallen.

Hinweise auf die Streitigkeiten sind an verschiedenen Stellen in anderen Werken May´s zu finden:

Im "Bärenjäger" bezeichnet Hobble-Frank "hinzugefügte Erzählungen" als "Münchmeierei",

im "Reich des Silbernen Löwen" wird das Pferd Kiss (=Roman) von Feinden des Edelmenschen zuschanden gemacht und in Kiss-y-Darr (=Schundroman) umgetauft u.dgl.mehr.

Zeitvorgaben für die entsprechenden Lieferungen sowie zeitliche Vergleiche zu Ereignissen im Leben May´s, die in den Werken verschlüsselt wiederzufinden sind, werden ebenfalls zur Bestätigung der Theorie Harders herangezogen.

Tatsächlich jedoch erreicht May in einem ersten Vergleich, dass der Verlag Münchmeyer/Fischer zugibt, ca. 5% hinzugefügt zu haben - Ergänzungen durch die Redakteure der Verlage waren übrigens bei dieser Form der Schriftstellerei üblich: Der Autor sollte Manuskript bringen, das übrige erledigte der Verlag.

Die erhaltenen 20000 Mark stiftet May wohltätigen Zwecken.

Der KMV hat später die Münchmeyer-Romane erworben und sie überarbeitet: Die jeweilige Haupthandlung wurde - dem übrigen Werk May´s angepasst (insbes. Personen) - schon sehr früh (ab 1923) als eigenständige Erzählungen den "Gesammelten Werken" angegliedert, ebenso Nebenhandlungen, soweit sie als selbständiges Werk betrachtet werden konnten. Sonstige Passagen,          

die nun keinerlei Beziehung zu den neuen Werken mehr haben, werden - soweit sie für das Gesamtwerk des Schriftstellers von Bedeutung sind, im Originalwortlaut oder auch angepasst, in ständig neuen Bänden veröffentlicht.

Die Münchmeyer-Romane sind mittlerweile aber auch bei anderen Verlagen - meist in der Fassung der ersten Buchausgaben - erschienen.

Diese Romane möchte ich in den nächsten Jahren lesen und sie dann mit den Büchern des KMV vergleichen. In kurzen Nacherzählungen/Inhaltsangaben will ich versuchen, "Original" und die Gegenstücke des KMV´s einander gegenüberzustellen und zu werten.

Hubert Dörrenbächer

 

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